Ulyssus oder how to become a tree

Hallo, ich hoffe, Sie haben sich bereits etwas umgesehen und einen kleinen Eindruck von meiner Arbeit gewonnen. Nun zu mir.  

Vor kurzem habe ich irgendwo etwas über Cocooning gelesen, das trifft die Sache so ziemlich auf den Punkt, zumindest wenn man meinem Freund und Kollegen Chris Glauben schenken kann, aber das ist ja eigentlich nicht ganz richtig. Dies ist einfach nur meine Art zu arbeiten.

Normalerweise kommen an dieser Stelle immer diese netten Aussagen wie "Ich wollte schon immer malen...." oder "Malen hat mir schon immer Spaß gemacht". Das ist alles schön und gut, aber in meinem Fall zu wenig, denn ich halte es da schon eher mit dem guten alten Iowa Bob "Du mußt besessen werden und besessen bleiben". Zusammen mit der Erkenntnis "Don´t dream it, be it" stellt sich dann beim Außenstehenden leicht obiges Bild ein.

Ich weiß nicht, ob mich da draußen im großen weiten Web jemand versteht, aber wer einmal von einem Bild richtig emotional gepackt wurde, wer aufgesogen wurde von der unglaublichen Schönheit des Gesehenen, der kann vielleicht nachvollziehen, warum ich einfach immer malen muß. Ich brauche diesen Kampf mit dem Bild, der Farbe und dem Motiv. Da frißt sich irgendwann beim Betrachten eines unglaublich tollen Bildes ein Gefühl fest und fortan willst du nichts mehr anderes, als dieses Gefühl immer wieder neu erleben, du bist süchtig danach. Du malst wie ein Verrückter, nur um einmal ein einziges Bild mit genau dieser faszinierenden Ausstrahlung zu schaffen.

Manchmal, in Momenten eines unbeschreiblichen Glücksgefühls, da sitze ich vor einer meiner gerade fertigen Arbeiten und spühre es. Und dann ist es wieder weg. Das Bild ist fertig und die Gewohnheit erdrückt die Emotion. Das ist das Künstlerlos. Dann muß man wieder ran, ans nächste Bild.

Ich will sagen, ich möchte immer wunderschöne, emotionale Bilder malen, ob als freie Arbeiten, Wandgemälde oder als Illustration, zufrieden bin ich erst, wenn sich meine Vision erfüllt, dann liebe ich meine Arbeit und mein Leben, dann geht es mir saugut.

Angefangen hat alles Ende der Sechziger in einem kleinen Dorf in Franken und, wie so oft, führt eine gesunde Portion Minderwertigkeitskomplex in jungen Jahren zu der Erkenntnis, immer der Beste sein zu müssen. Meinen Lehrern sei dank, hat sich dies bei mir im Schulischen nie manifestiert. Deren Unverständnis trieb mich in die Malerei. Wie ein pawlowscher Hund lieferte ich regelmäßig in meiner Großfamilie Heiligenbilder ab und wurde dafür mit dem lebensnotwendigen Lob belohnt.

Als Dank dafür gab ich mich letztendlich einem sehr emotionalen Melancholismus mit Tendenz zum Depressivismus hin, ausgelebt in großformatigen Werken. Ich wollte alle nur noch schockieren und einzig und allein für mich malen. Das Bild sollte nur noch für mich da sein, der einzige Grund es zu malen, waren meine Emotionen und nicht die Bilder anderer.

 

 

Jahre später, meine Zeit als freier Künstler und mein halbes Design-Studium waren bereits an mir vorübergezogen, da war es wieder dieses unbeschreibliche Gefühl beim Betrachten einiger wunderschöner illustrierter Bücher. Und alle handelten von der Natur.

Einen ganzen Sommer trieb ich mich danach in der faszinierenden Landschaft Frankens herum, sog alles in mich auf, malte bei jedem Wetter im Freien und wußte plötzlich, was mich glücklich macht. Die Melancholie im Detail, die Natur, so surreal schön. Seitdem ist die Natur einziges und ausschließliches Thema meiner Arbeit.

1995 war es dann so weit, jetzt begann auch für mich der Ernst des Lebens. Mein Studium war zu Ende und mit einem nie gekannten mulmigen Gefühl stand ich da, Diplom-Designer. Früher war alles immer irgendwie einfacher, Miete, Rente und Krankenversicherung kannte ich bis dato nicht, ersteres übernahmen immer meine Eltern, letzteres war immer bescheidend gering. Und das mittlere ging mich eh nichts an, da war ja immer das Wettrüsten und die Atomkraft, das Rentenalter würde ich de facto eh nie erleben.

Tja dann verloren die einen ihre Feindbilder, die anderen ihre Zukunftsangst und ich war für ein halbes Jahr fast blind, Conjunktivitis sei Dank. Ich fand also heraus, es gab bestimmte Dinge, die getan werden mußten oder die einfach geschehen und, diese Erfahrung war noch wichtiger, es gibt immer einen Weg und jemanden, der einem hilft. Meine Ärzte kümmerten sich um meine Krankheit und meine Eltern um den Rest.

Ich war mal wieder frei, für zwei Jahre konnte ich noch so weiterleben, mir irgendetwas aufbauen, etwas suchen, womit ich mein Leben verbringen wollte. Und dann war da noch meine Weggefährtin und Freundin. Bereit für ein neues, gemeinsames Abenteuer.

Zuerst zogen wir in einen Turm, mein neuer Elfenbeinturm, 16.ter Stock am Rande eines Molochs von pulsierendem Leben. Morgens saugt er alle auf, im Winter beleuchtet wie kleine Tannenbäumchen, ansonsten grau und trostlos und am Abend spuckt er alle wieder aus. Ich liebe die  Langsamkeit, die Ruhe und Gelassenheit in Franken. Ein Fels im Strom der rasenden Zeit, wie ich hier oben auf meinem Balkon. Fast 60 Meter hoch in Sicherheit, auf Du und Du mit den tapferen Piloten der Verkehrswacht und Polizei.

Ich analysierte zuerst einmal meine Situation, wie lautet eigentlich die Problemstellung, was muß getan werden, um überhaupt was genau zu erreichen. Ich war also ein Diplom-Designer, der sich jahrelang während seines Studiums mit Werbung beschäftigt hat, wollte malen, am liebsten täglich und am besten über, mit und in der Natur und ich mußte in genau zwei Jahren irgendwie in die drei großen Töpfe der Gesellschaft etwas reinwerfen.

Meinen Professoren sei Dank, ich habe soviel von ihnen gelernt, daß ich Problem, Ziel und Lösung relativ genau definieren konnte. Ich arbeitete ganz einfach für mich und meine Situation ein Konzept aus. "How to become a Tree"- der Keimling wächst. Den Rest, sehen Sie hier in meinem Online-Atelier. Ich male und zeichne immer noch und ich liebe es noch mehr als je zuvor.

Tja, zum Schreiben bin ich leider nicht geboren, sonst würde ich Romancier, das ist auch ein cooler Job. Ich male jetzt mal wieder weiter, hab im botanischen Garten wunderschöne Blätter und Samenhülsen gefunden für eine großformatige Aquarellserie und meine Vogelnestgemälde erwarten mich in Franken. Zu Weihnachten will ich unbedingt daran weiter malen, die Ruhe genießen, ich in meinem alten Atelier, bei toller Musik und einer Affenhitze, die ganze Nacht lang. Aber vorher müssen noch zwei Bücher illustriert werden.

Wenn es sie interessiert wie diese Bilder aussehen werden und was sonst noch so geschieht, schauen Sie einfach mal wieder rein. Ich schreibe öfters mal mails oder nehme es mir zumindest vor. Eine Liste mit bisher veröffentlichten Illustrationen finden Sie hier: Referenzen

Ach und noch etwas, lassen Sie doch bitte alle Bilder da, wo sie sind, oder würden sie auch Bilder bei mir einsacken, wenn sie mich zuhause besuchen würden? Meine Arbeiten nutzen Ihnen ohne meine Zustimmung sowieso nichts (siehe Kontakt, Urheberrechtsgesetz).

Bis dann.

Manfred

 

Webmaster Martina und Manfred, Mai 1999, Rhein-Main